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Kühe, Klüver, Krängung – und ein schlagkräftiger Baum

24. Okt 2025
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Törnbericht vom 19. bis 25. September 2025 auf dem Preussischen Adler. Von Skipper Mihai Plasoianu

Manche fahren in den Urlaub, wir sind nach Maasholm gefahren. Am 19. September trudelten wir über den Tag verteilt ein – zehn Leute mit viel guter Laune und noch mehr Gepäck. Dr. Herbert Aly, der Eigner, und ich haben gemeinsam die Übergabe gemacht. Danach stürzten wir uns in die zwei großen Pflichtübungen aller Törns: Einkaufen und Kabinen klarmachen. Beides dauerte länger als gedacht und war lauter als nötig.

Tag 1 auf See – Lyø ahoi

Nach einem Frühstück, das eindeutig für eine Mannschaft von 18 gedacht war, gab es am nächsten Morgen die Sicherheitseinweisung. Es wurde erklärt, wo Westen, Feuerlöscher und Humor zu finden sind. Dann ging’s los: 36sm bis zur Insel Lyø. Das Wetter: trocken-ish. Der Wind: 3Bft – also genug, um so zu tun, als müsste man sich ducken, wenn das Groß anschlägt. Wir setzten alles, was nicht niet- und nagelfest war: Großsegel, Schonersegel, Fock, Klüver und Fischermann. Der Adler zeigte sich von seiner besten Seite – elegant, stolz und überraschend kooperativ. Man konnte fast hören, wie er dachte: „Na gut, die da oben tun zumindest so, als wüssten sie, was sie machen.“


Lyø empfing uns am späten Nachmittag: klein, hübsch, still – und so friedlich, dass man automatisch langsamer ausatmet.

Tag 2 – Front, Fähren & Festfahren mit Publikum

Der nächste Morgen begrüßte uns mit dem Soundtrack „Frühwind in 6Bft“. Der Kurs: Lyø nach Svendborg. Die Ostsee zeigte, dass sie auch ohne Nordmeer-Allüren Respekt einflößen kann. 

Nach ein paar Stunden frisch-fröhlicher Schräglage kam eine Front durch, die sich dachte: „Ach, überraschen wir sie mal.“ 45 Knoten Wind – also genug, um ernsthaft über Klettverschlüsse an der Mannschaft nachzudenken. Da vor Svendborg der enge Kanal südlich von Fünen wartete und uns auf AIS bereits mehrere Fähren entgegenblinkten, beschlossen wir, dass Segelbergen sexy genug sein kann. Also runter mit den Tüchern und Motor an. Und dann passierte es. 

Die Sache mit der Sandbank

Wenige hundert Meter vor dem Ziel, direkt vorm Traditionsschiffhafen Svendborg, war ich vorne mit Segelverstauen beschäftigt. Unser Steuermann – nennen wir ihn diplomatisch „leicht visuell abgelenkt“ – hat eine Lateral- und eine Kardinaltonne in kreativer Kombination passiert. Die Ostsee quittierte das mit einem höflichen, aber bestimmten „Rrrrr“: Sandbank. Entfernung zur nächsten Insel: keine 100 Meter. 

Zuschauer: ungefähr zwölf Kühe mit bester Sicht und null Anstand. Man sah ihnen an, dass sie das Entertainmentprogramm selten so nah geliefert bekommen. Nach kreativen Schubversuchen und viel gestrecktem Fußgewackel kam die Rettung in Form eines schwedischen Motorbootes. Er zog uns am hinteren Fischermann-Fall seitlich an, während der Adler bei etwa 30° Krängung versuchte, Würde zu bewahren. Als wir frei waren, tuckerten wir wie nichts gewesen wäre weiter. Elegant – naja. Glücklich – auf jeden Fall. Wir bedankten uns mit zwei Flaschen Wein und liefen nach 49sm müde und erleichtert in Svendborg ein.

Tag 3 – Meilenfressen & sternklare Spätschicht

Wenn man in Svendborg anlegt, könnte man meinen, man bleibt da erstmal auf unbestimmte Zeit sitzen, trinkt Kaffee und erzählt sich gegenseitig Seemannsgarn. Wir nicht. Wir hatten einen Plan (oder zumindest das Gefühl von einem) und legten am dritten Tag los Richtung Korshavn. 58sm standen am Ende auf der Logge – eine Zahl, bei der selbst der Autopilot kurz schwitzen würde. Die ersten Stunden konnte der „Adler“ noch zeigen, was fünf Segel und ein gut gelaunter Wind so leisten können. Aber später am Nachmittag wurde es ruppiger. Wir refften Groß und Schonersegel, kämpften gegenan und endeten schließlich ganz ohne Tuch unter Maschine – klassischer Ostsee-Kompromiss: Eleganz ade, Ankommen zählt. Die Ankunft zog sich in die Dunkelheit: kurz nach 22 Uhr, zappenduster, und unsere Stirnlampen hatten offenbar andere Prioritäten, als dort hinzuleuchten, wo Menschen hinschauen. Korshavn empfing uns mit Ruhe, schwarzen Silhouetten und dem kollektiv unausgesprochenen Wunsch nach einer senkrechten Horizontallage im Kojenformat. Alle waren sich einig: anstrengendster Tag bisher. Also beschlossen wir: Morgen machen wir was anderes. Zum Beispiel freiwillig noch früher aufstehen.

Tag 4 – Frühsport mit Baumkontakt

Weil die Wetterprognose rosig war und der weibliche Teil der Crew das Wort „Landgang“ zunehmend im Plural verwendete, legten wir am nächsten Morgen im Morgengrauen gegen kurz nach 6 ab. Manche sahen dabei aus wie Menschen, andere eher wie der flauschige Teil eines Schiffspsychogramms. Und dann passierte das Kunststück des Tages: Beim Kommando „Großsegel setzen“ löste jemand – offenbar im Zustand zwischen Schlaf und Paralleluniversum – ungefragt die Dirk. Der Baum nutzte diese Gelegenheit, um der Schwerkraft seine Loyalität zu beweisen und donnerte mir auf die rechte Schulter. Trefferbilanz: Kopf verschont Schulter beleidigt, Finger kribbelten 8 Stunden, Diagnose: Noch alles dran, vermutlich. Ein echter Preussischer-Adler-Moment: robust gebaut, sowohl das Schiff als auch der Skipper. Der Rest des Tages verlief erstaunlich unspektakulär, fast so, als wolle Poseidon nach dem Slam-Dunk vom Morgen schnell wieder unauffällig wirken. Sonne, Wind, hübsche Küstenlinien, zufriedene Gesichter – und niemand löste mehr etwas ohne Ansage. Nach 44sm legten wir um 14 Uhr in Gammelhavn bei Middelfart an. Die Crew zerstreute sich in Kleingruppen, um die Stadt zu erkunden, Kaffee zu suchen, das Shoppinguniversum zu erforschen oder herauszufinden, ob Dänen sonntags überhaupt wach sind.


Alle kehrten heil zurück – was statistisch bemerkenswert ist.

Tag 5 – Einfahrt mit Nervenkitzel und Badehose

Nach einem Tag Stadt, Sonne und Schulter-Rehabilitation stand fest: Heute wird wieder gesegelt, und zwar erstmal 36sm bis Dyvig. Wer Dyvig nicht kennt, dem sei gesagt: ein Naturhafen wie aus dem Katalog „Idylle für Fortgeschrittene“. Die Revierführer klingen, als müsse man vor der Einfahrt vorher ein Testament verfassen. Der Eigner kommentierte das trocken mit:„Da muss man sich committen.“ Also haben wir uns „committed“. Und siehe da: Der Adler ist durch die enge Durchfahrt geschlüpft wie ein Barsch durch ein Gartenschlauchrohr – völlig problemlos. Rein wie raus. Dazu gab’s noch spektakuläre Drohnenaufnahmen, die jetzt irgendwo in mindestens drei WhatsApp-Gruppen als episches Heldendokument kursieren. Weil das Leben nicht nur aus Schoten und Schäkel besteht, gab’s danach eine Badepause. Wassertemperatur irgendwo zwischen „ist doch erfrischend“ und „mein Herz hat kurz einen Windows-Neustart gemacht“. Am Nachmittag motorten wir noch 11sm nach Sønderborg und übernachteten vor der Klappbrücke. Wer die Brücke kennt, weiß: Man schaut ihr zu wie einem Faultier beim Yoga – langsam, majestätisch und ein bisschen unbeteiligt.

Tag 6 – Rückkehr mit Stil und Schräglage

Am nächsten Morgen öffnete sich die Brücke, als wüsste sie, dass zehn Leute Kaffeepegel und Heimathafenbedarf haben. Der Wind legte zwischen 4 und 6Bft stetig zu und wir liefen die letzten 26sm nach Maasholm unter Segeln zurück – mit einer Brise, die das Wort „zunehmend“ sehr wörtlich nahm. Der Adler flog. Im Rahmen seiner 35 Tonnen. Fazit – Schweinswale, Krängung und Kühe. Nach 260 Seemeilen in sechs Tagen waren wir uns einig: 

Diese Woche hatte alles, was ein Ostseeabenteuer braucht:

Starkwind und Sonnenschein, Drohnenflüge und Badepausen, Ein Sandbank-Date mit Publikumsrindern, Kaffee, Kuchen, Klappbrücken und Kanäle, Ein schlagkräftiger Baum und eine Crew, die auch nach wenig Schlaf noch lacht. Die Schadensbilanz:  Ein paar Tassen weniger, null gebrochene Knochen, volle Dankbarkeit. Tierische Begleitung gab’s auch: Schweinswale en masse, ein paar Robben, und mehr Kühe, als jede dänische Postkarte verträgt.

Alle hatten Spaß (nach Eigenaussage zumindest „meistens“), und der Humor an Bord war so stabil wie der Langkiel. 

Ein bittersüßer letzter Satz bleibt: Der Preussische Adler wechselt nun den Eigner und verlässt den Charterbetrieb. Wir  hatten also die Ehre einer seiner letzten Törns unter Gästen zu segeln – und was für einen. 

Wir sind dankbar, dass wir diese Erfahrung machen durften – lehrreich, unterhaltsam und garantiert nicht unsere letzte Seereise.

Fortsetzung? Sehr sicher. Nur das Schiff wird ein anderes sein.

 
 
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