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Gelähmt nach Madeira (ein unmöglicher Törn)

12. Apr 2017
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Bei meinem Freund Andy schwelte schon lange die Idee den Atlantik zu überqueren, von Teneriffa nach St Martin, mit einer Segelyacht. Es sollte im Frühjahr 2005 konkret werden. Ich charterte eine Yacht für sein Vorhaben und schrieb so eben mal eine Segelreise von Portugal nach Teneriffa aus. Damit es auch noch gleich spannender klingt, nur mit herkömmlicher Navigation. Also Sextant, Karte, Taschenrechner, Bleistift und HO Tafeln. Nicht einfach mit GPS. Nein das wäre ja was für Weicheier :-) Es meldeten sich erstaunlich viel Interessenten die so was mal machen wollten. 5 Tage ohne Landsicht, nur mit Sextant bewaffnet mal eben Kolumbus spielen. Ein Teilnehmer stach gleich hervor. Es war Michael der mich anrief und unbedingt mitwollte. Mit Michael hatte ich einige Wochen zuvor ein Telefonat wo er mir mitteilte, dass auf Grund seiner Querschnittslähmung keine Schule ihm den Sportbootführerschein ermöglichte. Ich dachte noch „was für Idioten“. Wie kann man so etwas verwehren. Gelähmte fahren ja auch Auto, oder etwa nicht? Jetzt wollte Michael doch glatt mitsegeln. Ich hatte mich ja nun sehr weit aus dem Fenster gelehnt und somit war Micha dabei als Crewmitglied. Die Schwierigkeiten an Bord mit der Lähmung sollte das kleinste Problem werden. Dazu später mehr. Wir segelten also los ab Vilamoura in Portugal. Die Überfahrt war wie man es sich wünschte. wir hatten Sonnenschein und 2-3 Bft. Wind. Der Kurs lief genau Richtung Teneriffa. Nach einem Tag schaltete plötzlich jemand den Wind aus. So eine Flaute habe ich auf dem Atlantik noch nicht erlebt. Wir lagen einen ganzen Tag wie in Öl.
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Diese Zeit nutzten wir um uns mit Michael und seiner Behinderung zu beschäftigen.

Ich hatte aus einem dicken Tampen, mit Karabinerhaken und Knoten versehenes Seilsystem gebaut das es Micha ermöglichen sollte auf die Toilette, in seine Koje und wieder zurück an Deck zu gelangen.
Das funktionierte prima mal davon abgesehen, dass Micha nicht so sportlich war wie er angegeben hatte :-)

Er beauftragte uns, ihm so wenig wie möglich dabei zu helfen und wurde von Tag zu Tag besser.

Nach ein paar Tagen war Micha schneller als Errrnscht mit 3 R. Ernst war von Anfang an dagegen, dass Micha mitkommt.
Er steckte voller Kritik und war der Bedenkenträger Nummer eins an Bord.

Nun war Micha aber nach drei Tagen schneller im Salon und wieder zurück als Errrnscht.
Das stimmte nun Ernst immer geschmeidiger und er musste anerkennen, dass das ja doch geht mit Querschnittslähmung.

Er rührte sich fortan rührend um Micha, was der eigentlich gar nicht wollte.

Nach der Flaute drehte der Wind und wir überlegten ob wir einen Abstecher nach Madeira machen sollten.

Das Schiff lief bestens, wir navigierten uns mit dem Sextanten die Finger wund und erreichten doch tatsächlich nach 5 Tagen Madeira ohne GPS. Einen Sextanten auf einem schaukelnden Schiff zu bedienen ist halt doch mal was anderes als auf der Terrasse zu Hause.

Da waren wir mächtig stolz.
Die Freude sollte recht schnell getrübt werden, da wir eine ganze Woche auf Madeira festgehalten wurden. Alles begann nach dem Anlegen mit dem Gang zum Hafenbüro mit dem normalen Einklarierungsprozedere.

Die nette Dame vom Büro schaute ungläubig auf die Papiere und fragte ob wir tatsächlich von Portugal hier hergesegelt sind.

Ich dachte nicht lange darüber nach als plötzlich die Polizei anrückte und uns höflich mitteilte, dass mit den Papieren etwas nicht in Ordnung wäre.

Was soll das schon sein dachte ich mir.

Wird sich schon alles klären.

Das Unglück nahm seinen Lauf.
Das Schiff wurde von der Polizei an die Kette gehängt und uns ein Auslaufverbot erteilt. Einen Tag später wurde uns der Grund mitgeteilt.

Der Vercharterer hatte die Yacht schwarz verchartert und hatte keine Genehmigung internationale Gewässer zu befahren. Mir wurde erklärt, dass ich als Schiffsführer dafür verantwortlich sei. Die Yacht könne erst wieder weiterfahren, wenn ein Gutachter die Yacht für Hochseetauglich erklärt und entsprechend ausgerüstet sei.

Na toll, wo soll denn nun ein Gutachter herkommen. Natürlich aus Lissabon. Von wo denn sonst :-) Nach unzähligen Telefonaten mit dem Vercharterer und den Behörden sowie Dokumenten die beglaubigt und ins portugiesische übersetzt werden mussten, kamen wir einer Freigabe der Yacht näher. Die Woche auf Madeira verbrachten wir mit Insel-Rundfahrten und Wanderungen auf dieser wunderschönen Insel mitten im Atlantik. Zu all den Problemen kam bei einer Wanderung noch hinzu, dass Thomas es nicht lassen konnte und mit seinen Nordic Walking Stöcken so stürzte, dass sein Fußgelenk ausgekugelt war und in einem seltsamen Winkel einfach mal so zur Seite stand. Ich wurde von Thomas beauftragt den Fuß wieder einzurenken. Ich hatte das zwar noch nie gemacht, aber den Fuß zog ich mit leichtem Druck und einem glubschenden Geräusch wieder in seine alte Position zurück. Was man als Skipper nicht alles machen muss. Thomas konnte zwar wieder stehen, aber an Laufen war nicht zu denken. Wir stützten ihn bis zum Auto und lieferten ihn im Krankenhaus ab. Nachdem das Krankenhaus und scheinbar ganz Madeira kein Röntgengerät besitzt, floh Thomas aus dem Krankenhaus mit den Worten " Von Euch lasse ich mich nicht operieren" zurück aufs Boot. Fortan hatten wir zwei behinderte Menschen. Während unseren Ausflügen wurde unsere Yacht zusätzlich ausgerüstet um den Sachverständigen, der extra wegen uns nach Madeira kam, zufrieden zu stellen. Als der sehr nette Sachverständige alles inspiziert hatte, wurde es noch mal spannend Er hatte sein Stempelkissen in Portugal vergessen. Oh nein! Was tun? Ein Filzstift, wo wir den Stempel mit Farbe benetzten konnten, war die endgültige Rettung. Der letzte Akt in diesem Drama war dann noch meine Gerichtsverhandlung in Funchal. Ich wurde verknackt zu 300 Euro Geldstrafe, da ich eine nicht zugelassene Yacht 600 Seemeilen über den Atlantik gefahren habe. War wohl das untere Strafmaß :-) Das Geld habe ich mir schnell von Markus geliehen und bei der Gerichtskasse gleich bar bezahlt. Man will ja nichts mehr riskieren. Ziemlich genau nach einer Woche kam die Polizei so gegen 22.00 Uhr mit einer Streife zu unserem Pier gefahren, gab unsere Papiere zurück und erteilten uns die Auslaufgenehmigung. Halleluja! :-) nach weiteren 24 Stunden Fahrt konnten wir mit einem halben Tag Verspätung Andy die Yacht in Teneriffa übergeben. Die Atlantiküberquerung konnte weitergehen. Dass Andy eine Woche später noch in Hurricane Delta kam der ihn jedoch zum Glück rechtzeitig in die Karibik blies, ist eine andere Geschichte.

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